Krisen- und Ernährungsvorsorge - Herausforderungen

Herausforderungen zur Erreichung von Nahrungsmittel-Versorgungssicherheit

GLOBALE  SICHT

 
Klimawandel, Energieknappheit, Rohstoffknappheit und Wasserknappheit sind die wichtigsten bestimmenden Faktoren auf der Angebotsseite der landwirtschaftlichen Produktion. Auf der Nachfrageseite stehen die Bevölkerungsexplosion und die Veränderung der Konsumgewohnheiten, vor allem das zunehmende Verlangen in den großen aufstrebenden Ökonomien, insbesondere in Asien, nach hochwertigem Eiweiß in Form von Milch- und Fleischprodukten.
Diese Faktoren zusammen fordern die Sicherung der nachhaltigen Nahrungsmittelversorgung enorm heraus. Die beschränkten Ressourcen der Erde werden überstrapaziert und eine Milliarde Menschen, die ärmsten Bevölkerungsschichten in den ärmsten Ländern, leiden an Hunger und an Fehlernährung. Eine Hauptursache dafür ist oft nicht das zu geringe Vorhandensein sondern der fehlende Zugang zu Lebensmitteln. Hierfür gibt es viele Ursachen, z.B. Armut, Enteignung, Landflucht oder die zu hohen Preise.
 

Umfangreiche Aktionen im globalen Maßstab sind notwendig, um die Nahrungsmittel-Versorgungssicherheit der Weltbevölkerung zu gewährleisten:  

  • Die Nahrungsmittelproduktion muss nachhaltig werden. Die weltweite Nahrungsmittelproduktion verbraucht zurzeit in nicht nachhaltiger Weise wesentlich schneller Ressourcen als diese sich erneuern können. Das Angebot an landwirtschaftlichen Produkten muss in den nächsten 40 Jahren weltweit um 70 % wachsen, davon gehen Experten der FAO (Welternährungsorganisation) aus, ohne dabei nennenswerte Neuflächen in die Produktion eingliedern zu können. Der Einsatz von Hochtechnologie, die Zurückhaltung beim Konsum, Abfallreduktion, Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen und die allgemeine Bewusstseinsbildung über Nahrungsmittel-Versorgungssicherheit müssen gestärkt werden.
  • Die Nahrungsmittelproduktion muss sich dem Klimawandel anpassen. Von der Vorleistungsindustrie bis zur Lagerung und Verpackung beträgt die Treibhausgas(THG)-Emission des Nahrungsmittel-Sektors laut CGIAR (Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung) mehr als 30 % der durch Menschen verursachten THG-Emissionen. Die gesamte Nahrungsmittelkette (bis zur Abfallverwertung) muss ihren Beitrag zur Minderung dieser Emissionen und somit des Klimawandels beisteuern.
  • Erhaltung der Biodiversität der Pflanzen und Tiere für zukünftige Generationen ist ein Imperativ. Die weltweite Produktion von Nahrungsmitteln muss rasant wachsen, es wird aber kaum mehr zusätzlich bebaubares Land dafür zur Verfügung stehen. Gleichzeitig dürfen die Eingriffe in das Ökosystem nicht zunehmen.
  • Die Antwort der FAO aus dem Jahr 2011 dazu lautet „Save and Grow“ (in etwa: Sichern und Wachsen). Damit ist eine ökosystemorientierte Form der Landbewirtschaftung gemeint, die konservierende Bodenbearbeitungsmethoden, Gesundung der Böden, effizienten Wasserverbrauch sowie integrierten Pflanzenschutz einbezieht. Die Grüne Revolution, die auch viele Schäden hinterlassen hat (vielerorts Rückgang von Biodiversität und Fruchtbarkeit) solle durch eine „Immergrüne“ Revolution abgelöst werden.
  • Investition in eine unabhängige Forschung, die Denkansätze in alle möglichen Richtungen zulässt.
  • Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Politik und Praxis.

KRISENSZENARIEN


Eine Bedrohung unserer Lebensmittelversorgungssicherheit besteht nicht nur durch global wirkende Veränderungen. Jede denkbare Art einer Krise oder Katastrophe, die sich lang- oder mittelfristig ankündigt oder aber plötzlich und unerwartet eintritt, beeinflusst unmittelbar unsere Ernährungssicherheit. Die Auswirkungen können lokal, aber auch über die österreichischen Grenzen hinausgehend sein. In einer Welt des Überflusses und der ständigen Verfügbarkeit aller lebensnotwendigen Güter sind wir auf derartige Ereignisse meistens nicht oder nur mangelhaft vorbereitet. Üblicherweise verlassen wir uns darauf, dass „eh nichts passiert“ oder im undenkbaren Fall des Falles der Staat doch sicher vorgesorgt hat. Leider sind in diesen Annahmen viele Irrtümer verborgen. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema für alle an der Lebensmittelkette Beteiligten, für die Verwaltung und letztlich für jeden Einzelnen von großer Wichtigkeit.
 

Um sich dem anzunähern seien hier denkbare Bedrohungsszenarien skizziert:


Blackout - ist ein plötzlich auftretender überregionaler, unter Umständen mehrere Staaten umfassender, länger andauernder Stromausfall (ein Zusammenbruch der Energieversorgung); die möglichen Ursachen sind vielfältig (Schaltfehler, Anschlag, u.s.w.) und trotz steter intensiver Bemühungen aller Beteiligten (Stromversorgungsunternehmen) ist ein Auftreten nicht völlig auszuschließen. Die Folgen für die Lebensmittelversorgung sind schon nach 1-2 Tagen schwerwiegend: Geschäfte haben geschlossen (Kassen funktionieren nicht mehr), (Tief)Kühlung fällt aus, Treibstoff für die Transporte wird knapp (Zapfsäulen bei den Tankstellen haben keinen Strom für die Pumpen), in der Landwirtschaft funktionieren die Melkmaschinen nicht ohne Strom, größere Milchkuhbestände mit der Hand zu melken ist aber undenkbar, u.s.w.

Engpass oder Ausfall fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas, Diesel, Benzin) - Ursache hierfür kann z.B. eine politische oder wirtschaftliche Krise sein; die Auswirkungen auf das Transportwesen liegen auf der Hand, aber auch Arbeitnehmer können zum Teil ihre Arbeitsstätten nicht erreichen. Engpässe in allen Bereichen der Wertschöpfungskette können zu einer Gefährdung der Lebensmittelversorgung führen.

Überregionaler Ernteausfall - Pflanzenkrankheiten, Schädlinge oder extreme Wetterereignisse (z.B. anhaltende Trockenheit) könnten einen Totalausfall der gesamten Ernte in Österreich oder sogar in weiten Teilen Mitteleuropas verursachen. Ein Versorgungsengpass, Futtermangel, letztendlich Saatgutmangel wären die unmittelbaren Folgen.

Ob und in welchem Ausmaß die österreichische Lebensmittelversorgungskette sowie die privaten Haushalte auf solche Krisen oder Katastrophen vorbereitet sind, wurde in der durch das Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie finanzierten Studie „Risiko- und Krisenmanagement für die Ernährungsvorsorge in Österreich“ (Kleb, Katz et al., 2015) beleuchtet. Die Ergebnisse geben keinen Anlass, sich in Sicherheit zu wiegen, sondern eher dazu, alle Hebel in Bewegung  zu setzen um die Situation zu verbessern.