22. Wintertagung, Grünland- und Viehwirtschaft

23.02.2016 Die Fachtagung der Grünland- und Viehwirtschaft erstreckte sich über zwei Tage. Das Thema lautete „Billig gibt’s nicht, irgendwer zahlt immer drauf!“ Marktentwicklungen, Weidewirtschat und gesellschaftliche Entwicklungen standen heuer im Vordergrund.

Internationale Märkte
Im Handel mit agrarischen Produkten waren die EU- Staaten im Jahr 2014 für Österreich  mit 84,3% der Einfuhren und 76,8% der Ausfuhren, der wichtigste Handelspartner. Die Zahlen spiegeln eine starke Ausgangsbasis der österreichischen Agrarwirtschaft wider, doch machen sie auch deutlich, dass aufstrebende Staaten wie China oder Indien erst erschlossen werden müssen. Je mehr Märkte erschlossen werden, desto widerstandsfähiger ist die österreichische Exportwirtschaft gegen beispielsweise die Verhängung von EU- Sanktionen für Russland.
Die Qualität der heimischen Produktion, Landwirtschaft und ihrer Produkte wird nicht nur im europäischen Wirtschaftsraum geschätzt, sondern auch auf dem Weltmarkt. Dieses Potenzial muss ausreichend genutzt werden und die Globalisierung als Chance wahrgenommen werden.
Fazit: Die österreichische Agrarwirtschaft hat mit ihren Stärken der Regionalität, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Qualität und Innovation beste Chancen auf dem Weltmarkt.
Auch Hermann Schultes, Vorsitzender der Landwirtschaftskammer Österreich, betont dass die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft auf mehreren Eckpfeilern aufgebaut und wichtig ist. Die LK Österreich und Landwirtschaftskammern setzen seit zwei Jahren initiativen wie „Schau drauf wo`s herkommt“, „klartext“ Veranstaltungen für Milch und Tierwohl klare Signale an die Wertschöpfungskette und die Öffentlichkeit. Bio wurde ins Zentrum gerückt und die Umstellung der gesamten Milchwirtschaft auf gentechnikfreie Milch ist in Europa einzigartig. Trotz dieser Erfolge müsste man einen Schritt weiter gehen und in Zukunft auf „erkennbare Herkunft“ setzen.
(Elisabeth Köstinger, Präsidentin des Ökosozialen Forums Europa)

Agrarpolitik und Aussichten
TTIP: Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA bedeutet eine klare Gefährdung der heimischen Landwirtschaft. Die Landwirtschaftskammer Steiermark sagt ein klares Nein zu den vorliegenden TTIP- Vorschlägen. Heimische Familienbetriebe, hohe Produktions- und Qualitätsstandards, sowie Tier-, Natur- und Umweltschutz in Österreich müssen geschützt werden.
Russland Embargo: Das Russland Embargo bescherte der steirischen Landwirtschaft in den Jahren 2014 und 2015 einen Wertschöpfungsverlust von etwa 50 Millionen Euro im Jahr über alle Sparten hinweg. Politische Initiativen der EU- Kommission zur Aufhebung des Embargos sind daher ein Gebot der Stunde. Denn es ist nicht tragbar, dass die heimischen Bäuerinnen und Bauern die alleinige Last der EU- Sanktionspolitik zu tragen haben. Eine Studie der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik belegt als Beispiel des Erzeugerpreisrückgangs bei Milch, dass das Russland Embargo den Milchbauern zwei bis 3 Cent pro Kilogramm Milch kostet.
Zukunftsaussicht Milchmarkt: Nach Expertenmeinungen ist nach wie vor keine rasche Trendwende am Weltmilchmarkt absehbar. Hauptgrund ist angebotsseitig der sich nur langsam abschwächende Anstieg der globalen Milchproduktion. Nachfrageseitig spielt der chinesische Markt eine Schlüsselrolle. Nach dem Einbruch im Jahr 2015 steigt die Nachfrage Chinas wieder langsam an. Davon könnten EU- Anbieter profitieren, was den EU- Markt entlasten würde. Ein stärkerer Anstieg der Nachfrage Chinas ist aber erst im zweiten Halbjahr 2016 zu erwarten. Der schwache Euro verbessert die Wettbewerbssituation der EU im Export.
Zukunftsaussicht Rindfleischmarkt: Bei Rindfleisch erwartet die FAO, dass die Preise im Jahr 2016 noch auf dem Niveau des Vorjahres bleiben, aber danach durch die Zunahme der weltweiten Produktion wieder unter Druck geraten werden. In den Industrieländern wird ein Rückgang des Fleischverbrauchs um 2 Prozent bis 2024 prognostiziert, während der Verbrauch in den Entwicklungsländern um 6 Prozent zunehmen wird. Trotz dieser unterschiedlichen Wachstumsraten bleibt der Rindfleischkonsum in den Entwicklungsländern um mehr als 35 Prozent niedriger als in den Industrieländern. Das Wachstum des Verbrauchs wird von Asien bestimmt, mit mehr als der Hälfte des zusätzlichen Rindfleischkonsums während der nächsten zehn Jahre.
Die Landwirtschaftskammer Steiermark setzt zum Thema Erhöhung der Wertschöpfungsanteils für die Bauern im Rahmen eines Arbeitsschwerpunktes im Jahr 2016 eine Reihe von Projekten um. Für die Viehwirtschaft wird vor allem an folgenden Themen gearbeitet:
 
  • Anteil heimischer Fleisch- und Milchprodukte in der Gastronomie, in Großküchen und bei Verarbeitungsprodukten steigern
  • Produktionsinnovationen anstoßen
  • Auf Qualität und Regionalität setzen, AMA Gütesiegel Programm stärken und ausbauen
  • Neue Vermarktungsmodelle etablieren
  • Bio- und Heumilchanteil steigern
    (Franz Titschenbacher, Präsident der LK Steiermark)
Milchmärkte im Wandel
Ein großes Thema war vor allem auch der Wandel der Milchmärkte, beziehungsweise auch der Wandel der Konsumenten.
Wandel war und ist in der Milchwirtschaft in den letzten Jahrzehnten immer präsent. Diesen Wandel gibt es auch bei den Milchbauern, wobei die Strukturen in Europa natürlich höchst unterschiedlich sind. Österreich wird aus verschieden Gründen nie die Größen der Milchbauernhöfe oder Molkereistrukturen wie zum Beispiel in Norddeutschland oder den Niederlanden haben.  Aus diesem Grund wird es mehr denn je die Aufgabe der österreichischen Milchverarbeiter sein müssen, andere „Vorzüge“ herauszuarbeiten.
Einen starken Wandel gab und gibt es auch bei Kunden der Molkereien und hier im speziellen beim österreichischen Lebensmittelhandel. Die aktuelle Bedeutung sowie die zukünftige Positionierung von Herstellereigenmarken einerseits, sowie von Handelsmarken andererseits wird wesentlich die Rohmilchauszahlungsleistung der jeweiligen Molkerei beeinflussen.
Aber auch die Erwartungen und Ansprüche der Konsumenten unterliegen einem Wandel.
Fazit: Schlagworte wie gesunde Lebensmittel oder garantiertes Tierwohl scheinen spürbar an Bedeutung zu gewinnen und fließen daher auch in neue politisch beschlossene Rahmenbedingungen mit ein. Viele der aktuell bedeutenden Konsumentenerwartung sind in sich widersprüchlich.  Denn hohe Qualität, Gentechnikfreie Produkte sowie garantiertes Tierwohl, stehen nicht im Zusammenhang mit Billigstpreisen.
Wichtig sei es vor allem auch dem Konsumenten darauf aufmerksam zu machen, diese zum Teil einzigartigen Standards aufzuzeigen.
(Josef Braunshofer, Geschäftsführer Berglandmilch eGen, Wels und Vizepräsident der VÖM)
 
Rindfleischmärkte im Wandel
Bei vergleichsweise kleinen Strukturen können die österreichischen Rinderbauern nicht über Kosten/- Preisrelationen, sondern nur über die Qualität punkten. Deshalb verfolgen heimische Rinderbauern und Erzeugergemeinschaften seit Jahren die Qualitätsstrategie, um den österreichischen Rindfleischkonsum langfristig absichern zu können. Der Österreicher mag eben gerne heimische Qualität am Teller. Qualitätsprogramme mit Herkunftskennzeichnung sowie definierte Produktionskriterien und Qualitätsstandards bilden hierbei die Grundlage. Qualität setzt sich durch und macht sich auch für Österreichs Bauern bezahlt.
Die Entwicklung der Preise bzw. der Preiszuschläge zeigt, dass die Qualitätsdifferenzierung mit Qualitätsbezahlung am Markt weiter voranschreitet. Das spezielle am Produkt Rindfleisch ist die große Vielfalt. Es gibt kaum ein Lebensmittel, das in der Verwendung aber auch in der Qualität so unterschiedlich ist wie Rindfleisch.
Mit 2016 startete das Programm Qplus als begleitende Maßnahme zur Qualitätsverbesserung in der Rindermast und Mutterkuhhaltung. Mit diesem Programm werden den teilnehmenden Rindfleischproduzenten Produktionskennzahlen- und Qualitätsauswertungen zur Verfügung gestellt, die den Betrieben als Basis für Qualitätsverbesserungen und Leistungssteigerungen dienen sollen. Neben höherer Produktqualität am Markt sollen auch auf den Betrieben die Produktgröße um somit die Wertschöpfung aus der Produktion gesteigert werden. 

Fazit:
  • Qualitätsdifferenzierung wird am Markt noch stärker
  • Regionale Markenfleisch- bzw. Fleischrasseprogramme werden forciert
  • Qualitätsprodukte aus der Mutterkuhhaltung, wie Jungrinder und Einsteller, sind aufgrund abgestockter Mutterkuhzahlen rückläufig
(Rudolf Rogl, Geschäftsführer der österreichischen Rinderbörse)
 
Low Input
Die Änderungen der Rahmenbedingungen der EU Marktpolitik brachten stärkere Schwankungen der Milchpreise, stark beeinflusst durch das Weltmarktgeschehen, mit sich. Dieses Auf und Ab der Preise, wie es seit 2007 zu sehen ist, stellt Milcherzeuger vor damit verbundene Herausforderungen. Aber nicht nur die Preisseite unterliegt Schwankungen, sondern auch die Kostenseite und hierbei vor allem die Kosten für Betriebsmittel. Aber auch die Kosten für Technik und Arbeit müssen Berücksichtigung finden. Denn der Erfolg in der Milchproduktion hängt stark von den Kosten ab.
Die Strategie der Kostenführerschaft zielt darauf ab, dass ein zusätzlicher Erlös größer als zusätzliche Kosten ist. Kosten können durch Ausweitung der Produktion auf möglichst viele Einheiten verteilt werden und somit niedrige Stückkosten erreicht.
Dem gegenüber steht die Low- Input Strategie. Ziel dabei ist es, die Milchproduktion auf vorhandene Ressourcen aufzubauen und den Einsatz von Zukauffutter, Technik und Arbeit zu minimieren. Die Herausforderung besteht darin, die Kosten stärker zu senken als das Sinken der finanziellen Leistungen.
Ein stark auf Grünland und Weide aufgebautes System bedarf daher einem angepassten Management, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Daher müssen vor der Wahl einer Strategie die Standort und Rahmenbedingungen geprüft und analysiert werden:
 
  • Klimatische Bedingungen
  • Futtergrundlage, Flächenverfügbarkeit, Weidetauglichkeit
  • Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden, Kapital
  • Alter, Größe und Zustand von Gebäuden und Technikeinrichtungen
  • Preis und Kostensituation: Milchpreis, Futtermittelkosten
  • Möglichkeiten für Prämien und öffentliche Zahlungen
  • Milchliefermöglichkeiten: Biomilch, Heumilch, Bioheumilch
  • Persönliche Strategien, Neigungen, Zielsetzungen des Betriebsleiters
Fazit: Letztendlich sind für den Erfolg eines Systems die klare Zielsetzung und eine konsequente Umsetzung der gewählten Strategie durch den Betriebsleiter die wichtigste Grundlage. Vor allem benötigt man in dieser Phase auch Mut und Wille.
(Michael Wöckinger, Leiter der Beratungsstelle Rinderproduktion und Referent für Milchwirtschaft, LK Oberösterreich)
 
Weitere Unterlagen zur 22. Wintertagung finden Sie unter:
http://www.raumberg-gumpenstein.at/cm4/de/forschung/publikationen/downloadsveranstaltungen/viewcategory/3136-wintertagung-2016.html
 
Liska, 22.02.2016