24. Wintertagung, Grünland- und Viehwirtschaft

12.02.2018 Die Fachtagung der Grünland- und Viehwirtschaft erstreckte sich über zwei Tage. Marktentwicklungen, Zukunftsperspektiven, Digitalisierung in der Landwirtschaft und Effizienz in der Rinderhaltung standen im Vordergrund.

Zukunftsperspektiven für die Grünland- und Viehwirtschaft aus Sicht des Österreichischen Bauernbundes

Gemeinsame Agrarpolitik – Gelder aus Brüssel und Österreich
Österreichs Vertretung für die Land- und Forstwirtschaft nimmt eine klare und konsequente Haltung für eine gleichbleibende GAP-Finanzierung ein, auch hinsichtlich der Gewährleistung der nationalen Kofinanzierung. Der Fokus liegt gerade im Grünlandbereich auf die verstärkte Unterstützung von benachteiligten, kleinstrukturierten Gebieten, wie auch das Berggebiet, und die Sicherstellung der finanziellen Stabilität im Sinne der Planungssicherheit, etwa bei Investitionen. Programme müssen sich dabei immer am Familienbetrieb orientieren. Künftig soll die Gemeinsame Agrarpolitik 2020+ einfacher, noch treffsicherer und nachhaltiger werden. Als Evolution statt Revolution, bezeichnete EU-Agrarkommissar Phil Hogan jüngst die Reform der GAP nach 2020. Sie muss unter einer schwierigen Ausgangslage reformiert werden, zeigt aber auch bereits neue Chancen für ein Land wie Österreich auf, wie etwa in der ländlichen Entwicklung.

Im neuen Regierungsprogramm 2017 – 2022 konnten umfassende Maßnahmen zugunsten der bäuerlichen und ländlichen Bevölkerung festgelegt werden. Gemeinsam mit Bundesministerin Elisabeth Köstinger ist es gelungen, neben zahlreichen Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft, wie eine bürokratische Entlastung, zusätzlich die Zuständigkeiten im neu geschaffenen Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus zu erweitern. Das bringt eine starke Aufwertung des Ressorts mit sich und eröffnet neue Perspektiven für die bäuerliche Arbeit sowie für den gesamten ländlichen Raum, etwa im Klima- und Energiebereich. Wir werden diese einzigartige Chance mit einer intensiven und partnerschaftlichen Zusammenarbeit nutzen, so der Präsident des Österreichischen Bauernbundes. Zentrale Aufgabenfelder sind darüber hinaus die Entwicklung der langfristigen Ausrichtung der GAP, der Herkunftskennzeichnung, der Elementarrisikoversicherung sowie die Absicherung des Einheitswertes und der bäuerlichen Sozialversicherung.

Nationale und internationale Märkte
Eine Reihe von politischen Maßnahmen der Vergangenheit eröffnete uns auch die optimistisch gefasste Prämisse „Märkte sind beeinflussbar“. Mit dieser stellt sich der Bauernbund mit dem Willen zu Gestalten den volatilen Märkten entgegen, wohlwissend, dass dieser Prozess noch viel Arbeit bedarf. Es gilt die Position im Wettbewerbsrecht zu stärken und daraus ein Mehr an Kooperationen zu ermöglichen. Dazu gehören rechtliche Rahmenbedingungen für Branchenverbände und Erzeugerorganisationen. Den Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette zu verbessern bleibt das angestrebte Ziel. Der Ausbau einer eindeutigen und durchgängigen Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln birgt dahingehend enormes Potenzial, gerade im Bereich des Außerhaus-Verzehrs. Die Ausweitung des Bestbieterprinzips im Vergaberecht soll mit Leben erfüllt werden und die regionale Wertschöpfung erhöhen.

Digitalisierung in der Landwirtschaft

Digitalisierung in der Landwirtschaft ist ein Querschnittsthema, das sich durch alle Veranstaltungen der Wintertagung 2018 zieht. Der Begriff, vorerst scheinbar wenig kompatibel mit der naturwissenschaftlichen Arbeitspraxis am Bauernhof, kommt aus dem Bereich der allgemeinen Datenverarbeitung und wird von vielen Praktikern intuitiv stärker in Richtung Bürokratie als in Richtung Betriebsunterstützung eingeordnet. Die „Natur“ der Landwirtschaft kann nicht fehlerfrei in technischen Prozessen abgebildet werden. Grundsätzlich haben alle natürlichen Bausteine der Landwirtschaft einen hohen Autonomiegrad. Bodenleben reguliert sich über weite Strecken ebenso wie das pflanzliche Wachstum innerhalb der Grenzen natürlicher Wachstumsfaktoren. Weidetiere erhalten und reproduzieren sich in geeigneten Lagen ebenso ohne menschliches Zutun. Die moderne Landwirtschaft greift mit ihren Methoden in das natürliche Gefüge ein, um den Ertrag anzuheben. Dies geschieht nicht willkürlich, sondern folgt in aller Regel anerkannten Empfehlungen. Praktiker sollten sich immer bewusst sein, dass numerische Empfehlungen bevorzugt unter lokalen Versuchsgegebenheiten reproduzierbar sind. Ihr entscheidender Nutzen liegt deshalb nicht in der absoluten Größe, sondern in den erklärenden Wirkungsmechanismen. Natürlich werden heute die Richtlinien der sachgerechten Düngung oder das gesamte Konzept zur Bedarfsabdeckung von landwirtschaftlichen Nutztieren in Computerprogrammen abgebildet. Es ist bestimmt eine gute Strategie, mit diesen Werkzeugen eine schrittweise Verbesserung am eigenen Betrieb voranzutreiben. Ohne Überprüfung der Ergebnisse und eine intelligente Adaptierung an den eigenen Betrieb werden aber meist nur Teilziele erreicht. Expertensysteme bringen maximal jenes allgemeine Wissen hervor, das Experten in diese Systeme einbauen. Nur der Landwirt kennt die Eigenheiten seiner Böden, Felder und Tiere.

Ja, es wäre im Sinne der Landwirtschaft 4.0 eine sinnvolle Maßnahme, im Melkstand für jedes Viertel die Leitfähigkeit der Milch zu messen, um Eutererkrankungen frühzeitig zu erkennen. Ja, es ist sinnvoll, geeignete digitale Brunsterkennungssysteme zu nutzen. Weder die Leitfähigkeitsmessung noch der Brunstalarm entbinden die Tierhalter aber von der Aufgabe, die Herde proaktiv zu beobachten. Die dafür notwendige Zeit darf nicht eingespart werden. Man beachte hier auch noch die gesetzlichen Regelungen.

Effizienz- Check- Was verschenke ich im Milchviehbetrieb

Die Landwirtschaft im Allgemeinen und die Milchproduktion im Speziellen unterlag in den letzten Jahrzehnten einem derart starken Wandel, wie wir es aus der vorhergehenden Geschichte kaum kannten – ja, nicht einmal für möglich hielten. Kühe werden automatisch von Robotern gemolken, an allen Ecken und Enden befinden sich Sensoren, mit denen Daten gesammelt werden und eine Vielzahl an Auswertungen und Analysen warten darauf, genau studiert zu werden, um darauf aufbauend die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gleichzeit unterliegt der Milchpreis Schwankungen, die wir zuvor nicht kannten, während die Produktionsmittel alles andere als billiger werden und plötzlich stellt sich auch auf landwirtschaftlichen Betrieben vermehrt die Frage, wie die Liquidität abgesichert werden kann. So eng liegen Chancen und Herausforderungen beieinander und drängen Bauer und Bäuerin immer mehr in die Rolle eines Managers oder einer Analystin.

Wo schlummern Potentiale am Betrieb?
Doch wo schlummern nun die tatsächlichen Verbesserungspotentiale auf meinem eigenen Betrieb? Dies ist eine Frage, die nicht generell beantwortet werden kann, da die Situation von Betrieb zu Betrieb zu stark variiert. Wenngleich die Ergebnisse der Betriebsauswertung Milch nicht als repräsentativ für die gesamte österreichische Milchproduktion angesehen werden können, so stellen sie trotzdem wichtige Erkenntnisse für unseren Agrarsektor dar.

In Zeiten von niedrigen bzw. schwankend und unvorhersehbaren Milchpreisen ist es wichtiger denn je, seinen Betrieb gut zu analysieren und verborgenes Potential zu nutzen, um die Liquidität gut abzusichern. Den LKV-Mitgliedern werden mit den umfangreichen Auswertungen und Analysetools im LKV-Herdenmanager zahlreiche Hilfestellungen hierbei angeboten. Wertvolle zusätzliche Erkenntnisse im Bereich der Betriebswirtschaft können Betriebe im Rahmen der Arbeitskreisberatung durch die Landwirtschaftskammern gewinnen. Mit der in Entwicklung befindlichen WEB-Anwendung Effizienz-Check steht den österreichischen Milchviehbetrieben in naher Zukunft ein weiterer Werkzeugkoffer zur Verfügung, um die eigene Herde besser kennenzulernen und die Auswirkung von Management-Entscheidungen abschätzen zu können.

Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ermöglichen eine energieunabhängige und ressourcenschonende Rinderhaltung

Angenommen, Sie ärgern sich über die immer weiter steigenden Energiekosten. Wo setzen Sie den Hebel an? Der eine oder andere denkt jetzt vielleicht an eine Photovoltaik- Anlage. Für eine dauerhafte Energiekostenreduktion ist jedoch die Energieeffizienz entscheidend. Es gibt viele Maßnahmen, die den Energiebedarf reduzieren und gleichzeitig den Weg in die Energie-Unabhängigkeit einleiten. Erneuerbare Energieproduktion, Energiespeicher und e-Mobilität führen den Weg erfolgreich fort. Weitere Informationen erhält man von der Landwirtschaftskammer online.

Zukünftige Anforderungen aus Sicht des Lebensmitteleinzelhandels

Der Lebensmittelhandel versucht immer, kunden- und nachfragegerechte Sortimente anzubieten. Kundenwünsche zu kennen und auf deren Änderungen zu reagieren sind somit zentrale Elemente in der täglichen Arbeit. Jeder Händler sucht für sich Konzepte und Antworten für diese zukünftigen Entwicklungen. Durch die Analyse der Märkte sind folgende Trends erkennbar. Beispiele sind, Globalisierung, Mobilität, Gesundheit, Urbanisierung, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Individualisierung sowie neue Arbeitsformen.

Diese allgemein gültigen Marktänderungen haben direkten Einfluss auf das Konsumverhalten, wirken langfristig und sind keine kurzfristigen Modeerscheinungen. Die Landwirtschaft kann sich insofern darauf einstellen, dass sich jeder für sich Gedanken zum Marktpotential für seinen Betrieb machen kann. Die Märkte werden differenzierter und somit auch vielschichtiger. Das kann auch Chancen für mehr Wertschöpfung mit sich ziehen. Individualität, Effizienz, Cleverness und Unternehmertum sind zukunftsrelevante Tugenden – auch in der Landwirtschaft! Schlussendlich haben wir in Österreich noch die besten Voraussetzungen dafür. Eine flächendeckende Produktion mit gesunden Familienbetrieben, wettbewerbsfähige Verarbeitungsbetriebe, Konsumenten, die verstärkt auf Regionalität, Genuss und Qualität setzen und Handelspartner, die im Sinne Ihrer Kunden auch genau diese Produkte anbieten möchten. Nicht zu vergessen auch eine Politik, die die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und kunden- bzw. marktorientierte Betriebe mit öffentlichen Geldern gezielt unterstützen muss. Eine erhöhte gesellschaftliche Akzeptanz führt infolge dessen auch zu mehr Wertschätzung. Und Wertschätzung schafft bekanntlich auch mehr Wertschöpfung.

Weitere Unterlagen zur 24. Wintertagung finden Sie unter:
https://www.raumberg-gumpenstein.at/cm4/de/forschung/publikationen/downloadsveranstaltungen/viewcategory/3225-wintertagung-2018.html

Liska, 12.02.2018